Der neue Olympiasieger setzte sich nach 43 Kilometern von seinen Rivalen ab und ging einem ungefährdeten Triumph entgegen. Trotz Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit ging er in 3:37.09 Stunden zum olympischen Rekord. Bereits vor der Ziellinie brach er in Tränen aus. Der Wipptaler ist erst der fünfte Südtiroler, der bei olympischen Sommerspielen Gold gewinnt und gleichzeitig der erste Leichtathlet. Schwazers Erfolg ist auch ein ganz spezieller Weltrekord. Nie zuvor ist ein Sportler aus einem so kleinen Ort wie Kalch (31 Einwohner) Olympiasieger geworden. Robert Korzeniowski, der erfolgreichste Geher aller Zeiten (dreifacher Olympiasieger über 50 km) hätte keinen würdigeren Nachfolger finden können. Bereits im Vorjahr hatte Schwazer bei der WM angedeutet der Beste zu sein. Aufgrund eines taktischen Fehlers musste er sich damals mit Bronze begnügen. Daraus hat der 23-jährige seine Lehren gezogen. Nach rund 9000 Trainingskilometern (!) in einem Jahr steht er dort, wo er immer hinwollte. Schwazer präsentierte sich beim Saisonhöhepunkt in Topform. Mit dieser Gewissheit hatte er selbstbewusst bereits im Mai den Olympiasieg angekündigt. Nun hat er seinen Traum wahr gemacht. Schwazer deutete seinen Mitkonkurrenten bereits auf den ersten Metern an, dass der Sieg heute nur über ihn führen würde. Drei Stunden lang kontrollierte der Schützling von Trainer Sandro Damilano das Rennen. Bei km 43 folgte die entscheidende Attacke. Auf den letzten sieben Kilometern ging er einen Vorsprung von 2:18 Minuten auf den Australier Jared Tallent heraus. Weltrekordhalter Denis Nischegorodow lag als Dritter bereits 3.05 Minuten zurück. Bereits vor dem Einzug ins Olympiastadion feierte Schwazer seinen bevorstehenden Triumph, klatschte mit den Zuschauern ab, hob den Oberarm in Popey-Manier und küsste das Armband in Gedanken an seine Freundin. Auf der Zielgeraden küsste er den Trauerflor an seinem Trikot in Memoriam seines erst kürzlich verstorbenen Großvaters, der Alex sehr viel bedeutet hat. Während seinen Gegner reihenweise ins Ziel taumelten, hüpfte Schwazer wie ein Känguruh durchs Stadion um seinen Triumph zu feiern. |
Die Südtiroler Olympiasieger bei Sommerspielen: 2008: Alex Schwazer (50 km Gehen) 2000: Antonella Bellutti (Bahnradfahren) 1996: Antonella Bellutti (Bahnradfahren) 1984: Norbert Oberburger (Gewichtheben) 1976: Klaus Dibiasi (Turmspringen) 1972: Klaus Dibiasi (Turmspringen) 1968: Klaus Dibiasi (Turmspringen) 1956: Albert Winkler (Rudern) Die Goldmedaille von Schwazer war die 19. für die italienische Leichtathletik (17 verschiedene Athleten). Es war die achte Goldmedaille im Gehen. Vor Schwazer hatten über 50 km bereits Giuseppe Dordoni 1952 und Abdon Pamich 1964 triumphiert.
Alex Schwazer im Portrait
*26.12.1984 in Sterzing Sternzeichen: Steinbock Übername: Schwoz (seit der Schulzeit) 185 cm x 76 kg Heimatort: Kalch in der Gemeinde Ratschings Zweiter Wohnort zwecks Training: Saluzzo Eltern: Josef und Maria Luise Ruhepuls: 28 Schläge pro Minute Maximale Herzfrequenz: 190 Schläge pro Minute Herzfrequenz bei anaerober Schwelle: 175 Schläge/pro Minute Lungenvolumen: 7,10 Liter Körperfettanteil: 5% Verein: Carabinieri Bologna (vorher SC Meran) Trainer: Sandro Damilano Einsätze mit der Nationalmannschaft: 9 Olympia: 2008 (50 km/1.) WM: 2007 (50 km/3.; 20 km/10.), 2005 (50 km/3.) EM: 2006 (50 km/aufgegeben; 3. bei Halbzeit des Wettkampfs) U23-EM: 2005 (20 km/aufgegeben) Weltcup: 2004 (50 km/aufgegeben); 2008 (50 km/3.) Europacup: 2005 (50 km/6.)
Italienmeistertitel (6): 2005 (50 km), 2007 (50 km, 20 km, 10 km Bahn), 2008 (50 km, 20 km) Persönliche Bestzeit über 50 km: 3:36:04 (Februar 2007) = Weltjahresbestzeit 2007 - SB: 3:37:04 im Vergleich dazu: WR: 3:34:13; ER 3:36.03 Welt-Jahresbestenliste: 3.
Weitere persönliche Bestzeiten: 1:21:38/20 km; 1:23:21/20 km Bahn; 40:39.21/10 km Bahn; 19:38/5 km Bahn |
Alex Schwazer hat vor und nach seinem Zieleinlauf Emotionen gezeigt. Am Rai-Mikrofon brach er zunächst in Tränen aus. Danach folgte ein Interview dem nächsten. Seine ersten Worte widmete er seinem am 27. Juli verstorbenen Großvater. Hier ein paar Aussagen von Schwazer. Zum Großvater: "Ich bin sehr gerührt. Es war nicht leicht heuer. Kürzlich ist mein Großvater gestorben, der mir sehr viel bedeutet hat. Ich denke, er wird mit mir jetzt sehr zufrieden sein.
Zum Olympiasieg: "Ich wollte gewinnen, weil ich mir es verdient habe und ich kein Betrüger bin. Im Vorjahr habe ich die falsche Taktik gewählt. Dieses Jahr ist alles gut gegangen. Sandro Damilano hat mich im richtigen Moment gebremst, weil ich sehr motiviert war. Ich bin in Topform. In dieser Form schlägt mich nicht einmal Superman. Die ersten drei Stunden fühlte ich mich wie bei einem Spaziergang, dann habe ich einen Gang höher geschaltet. Wenn du physisch überlegen bist, dann ist auch die Taktik kein Problem. Ich wusste bereits vor dem Rennen, dass ich auf den letzten 10 km der Stärkste gewesen wäre. Aus dem Fehler von Osaka habe ich viel gelernt, denn aus Fehlern lernt man immer mehr. Deshalb habe ich diesmal vorsichtshalber keine Mütze aufgesetzt." Zur Erinnerung: Schwazer hatte bei der WM im Vorjahr nach Platz drei wutentbrannt seine Schildkappe zu Boden geworfen. "Auf der letzten Runde wusste ich nicht, welche Dummheiten ich noch anstellen könnte. Ich wollte sogar mit dem Begleit-Motorrad Schritt halten. Das mag vielleicht lächerlich gewirkt haben. Ich wollte damit nur meine Freude ausdrücken und keinesfalls meine Gegner beleidigen. Das Rennen habe ich nicht heute gewonnen sondern das ganze Jahr. Mein großer Dank gilt Trainer Sandro Damilano und dem gesamten Betreuerstab. In Saluzzo fand ich optimale Bedingungen vor."
Zum Thema Doping: "Ich habe mir diesen Sieg verdient weil ich sauber bin. Ich kann nicht versprechen, dass ich auch in Zukunft gewinnen werde. Ich kann aber versprechen, dass ich sauber bleibe."
Zum Thema Feierlichkeiten: "Ich habe bereits vor den Olympischen Spielen zu mir gesagt, die zwei Wochen nach Olympia werden anstrengender als die zwei Wochen davor. Ich bin schon etwas beunruhigt. Zu Hause in Kalch wird sicher kräftig gefeiert. In Kalch sind wir nur wenige, dafür umso besser". ("pochi, ma buoni") Stimmen zu Schwazers Olympiasieg Armin Bonamico, Präsident Südtiroler Leichtathletikverband: "Ich weiß nicht, wie ich das in Worte kleiden soll. Das war eine unglaubliche Leistung. Von seiner Ankündigung, die Goldmedaille zu holen, bis ins Ziel waren es immerhin 50 Kilometer die er zu Fuß phänomenal gemeistert hat. Das muss man erst einmal schaffen. Alex Schwazer hat Emotionen geweckt. Er ist ein Glücksfall für die gesamte Leichtathletik. Im Namen des Vorstandes des Südtiroler Leichtathletikverbandes gratuliere ich ihm von ganzem Herzen. Ich wollte mich gestern Abend noch schnell in den Fanclub einschreiben. Der Präsident war jedoch nicht erreichbar. Das werde ich heute so schnell als möglich nachholen." Maria Luise Schwazer (Mutter): "Ich war während des gesamten Rennens zuversichtlich. Als er gleich am Start in Führung ging, habe ich gewusst, dass er gut drauf ist. Ich kenne meinen Bub. Wenn Alex vor dem Rennen gesagt hat, 'ich habs drauf', dann hat er das nicht gesagt um anzugeben, sondern weil er wirklich gut drauf war. Ich habe das Rennen gemeinsam mit meinem Mann und Alex' Bruder verfolg. Kurz vor Schluss ist mein Mann ins Gasthof Jägerheim, um mit dem Fanclub den Zieleinlauf mitzuerleben. Ganz Kalch war heute Nacht auf den Beinen. Anschließend hat der Fanclub bei uns gefrühstückt und wir haben das Rennen nochmals angesehen. Am Abend werden wir sicher weiterfeiern. Wir sind mächtig stolz auf unseren Buben. Gegen 8 hat er sich kurz telefonisch gemeldet und seine Freude mit uns und dem Fanclub geteilt. Seine Goldmedaille ist ein toller Erfolg für ganz Südtirol. Hoffentlich wird Alex ein Vorbild für die Jugend, denn Sport kann einem unglaublich viel geben." Fanclub-Info: Der Fanclub von Alex Schwazer heißt "Schwoz" und wurde im Mai dieses Jahres gegründet. Präsident ist Roland Klotz. Inzwischen zählt er 170 Mitglieder aus allen Teilen des Landes und auch von außerhalb. Nach dem Olympiasieg werden es bestimmt mehr. Zu Schulzeiten wurde Alex Schwazer von seinen Mitgliedern "Schwoz" gerufen, daher der Name des Fanclubs.
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